Rathaus in Zell (Mosel)
Sparsam
Wer an der Mosel lebt, arbeitet und Bauten wie das Rathaus in Zell errichten lässt, der weiß seit Generationen, was Nachhaltigkeit bedeutet. Diesen Menschen muss niemand etwas über „sustainability“ erzählen. Gleichzeitig will man in einem Verwaltungsgebäude Offenheit ausstrahlen und muss doch Diskretion bieten. Die größtenteils raumhohen Schallschutztüren mit feststehenden Verglasungselementen von Schörghuber schaffen diesen Spagat beim Rathaus in Zell.
Die „Moselaner“ (wie sie sich selbst nennen) wissen, wie das mit der Nachhaltigkeit geht. Die Mosel mit ihren engen Schleifen und wechselnden Pegelständen, die steilen, sonnenbeschienenen Hänge zu beiden Seiten und die Menschen, die auf den schmalen Uferstreifen leben, sie bilden seit Jahrhunderten ein System, das nur überleben kann, wenn es sparsam genutzt und nicht überfordert wird. Für raumgreifende Architektur ist hier selten Platz. Die Steilhänge sind viel zu empfindlich. Und als weltbekannte Weinberge sind sie vor allem viel zu wertvoll, als dass sie einfach abgegraben werden dürften. Schmal wie Handtücher lehnen sich die Winzerhäuser eng an den Weinberg der Großlage „Schwarze Katz“, um nur ja keinen Quadratmeter nutzbarer Rebfläche zu verlieren.
Hoher Sockel
Auch das immer wiederkehrende Hochwasser der Mosel gehört hier zum Leben und zur örtlichen Architektur. Am historischen Rathaus können die höchsten Flusspegel eindrucksvoll abgelesen werden. Und es waren diese Marken, die an der neu gebauten Stadtverwaltung nur wenige hundert Meter entfernt für das wesentliche Entwurfskriterium sorgten, an das sich das Stuttgarter Büro wittfoht architekten zu halten hatte.Die einheimische Bevölkerung weiß sofort, weshalb der Eingang des Rathauses nicht ebenerdig und auf Straßenniveau liegt. Wer aber nur zu Besuch ist, der muss sich erklären lassen, dass der Haupteingang nicht aus Gründen der Prominenz im Obergeschoss liegt und über eine Treppe erklommen werden muss. Wer an der Mosel aufgewachsen ist, der weiß auch: Bändigen lässt sich der Fluss sowieso nicht. Man muss mit ihm leben – und im Falle des Rathauses ein ungewöhnlich hohes Sockelgeschoss bauen. Es sorgt nun dafür, dass die Schreibtische der Verwaltung auch bei einem befürchteten Jahrhunderthochwasser stets trocken bleiben. Nass werden dann nur die Autos in der gar nicht so tiefen Tiefgarage darunter. Alternativ kann die Verwaltung über den neuen, ebenfalls ungewöhnlich hoch gelegenen Rat-hausplatz betreten werden. Mit dieser Freifläche wurde zugleich etwas geschaffen, was in Zell traditionell eher rar ist: öffentlicher Raum.
Kein Solitär
Auch sonst will der Entwurf von wittfoht architekten kein architektonischer Solitär sein. Er fügt sich – so gut dies angesichts des Bauvolumens eben geht – in die kleine Stadt ein. Er duckt sich aber keineswegs übertrieben bescheiden weg. Um fast so kleinteilig wie die umgebende Bebauung zu wirken, ist das Rathaus in zwei Baukörper unterteilt. Beide stehen – wie die anderen Häuser auch – mit der Traufseite zur Straße. Und weil die Bauten von Zell geneigte Dächer haben, ist auch das Rathaus mit zwei Satteldächern ausgestattet. Unter den mit PV-Schindeln gedeckten Flächen, die 70 Prozent des Energiebedarfs decken können, wurde dann auch die Haustechnik hochwassersicher untergebracht.
Diskretion
In deutschen Amtsstuben wird auf Datenschutz besonders großen Wert gelegt. Die etwa 100 bis zu 70 Millimeter dicken Schallschutztüren des Rathauses dämpfen den Schall um bis zu 42 Dezibel und sorgen dafür, dass Besprochenes auch in den Räumen der Sachbearbeiter bleibt. Da doch einiges an Publikumsverkehr zu erwarten ist, sind alle Türen mit einer Verbundfalle für Geräuschdämpfung ausgestattet. Das Ziel der Architekten war, die Türen möglichst schlicht zu halten. Unter anderem deshalb sind viele der Türen geschosshoch ausgeführt. Andere haben eine Oberblende, die sich aber nahtlos in das Erscheinungsbild der Türanlage einfügt und dadurch nicht weiter auffällt. Eine Besonderheit ist der gleitende Deckenanschluss, damit die Türen raumhoch ausgeführt werden konnten. Dieser verhindert Stauchungen der Türen bei Deckendurchbiegungen. Schörghuber hat dafür bei seinen feuerhemmenden Brandschutztüren T30 eine Zulassung. Die Türen sind stumpf einschlagend. Die Schattennut ist eins der Details, auf die die Architekten besonders Wert legten. Die Oberflächen der Türanlagen bestehen aus einem Eichenfurnier mit Naturholz-Effektlack oder, bei den Zugängen zu den Toiletten und Nebenräumen, aus einer HPL-Beschichtung in Weiß. Das unterstützt das ruhige, homogene Erscheinungsbild der Türen, die sich wohltuend von weiß verputzten Wänden und den rohen Sichtbetondecken abheben. Eine weitere Besonderheit sind die teilweise in die Zargen integrierten Schalter.
Ortsüblicher Besenputz
Homogen ist auch das monolithische Mauerwerk aus gedämmten Ziegeln. Es bekam einen ortsüblichen hellen Besenputz, dessen horizontale Struktur und Zweifarbigkeit gerade noch jene edle Anmutung hat, die für ein öffentliches Gebäude einer Kleinst-Stadt in Zeiten knapper Kassen zuträglich ist. So weltbekannt das Weinbau-Städtchen als touristisches Reiseziel auch ist – in der Verbandsgemeinde leben nur etwas mehr als 4.000 Menschen, in der eigentlichen Kernstadt sind es keine 1.500. Etwas anderes als eine enkelgerechte und in diesem besten Sinne nachhaltige Architektur kann sich eine Gemeinde in derart exponierter Mosellage auch gar nicht leisten.
Bautafel:
Standort: Schlossstraße 69, Zell (Mosel), DE
Bauherr: Verbandsgemeinde Zell (Mosel), DE Bürgermeister Jürgen Hoffmann / Büroleiter Andreas Schorn / Projektleiter Martin Steinmetz
Architekt (Entwurf): wittfoht architekten bda, Stuttgart, DE
Architekt (Ausführung): wittfoht architekten planung gmbh, Stuttgart, DE
Bauüberwachung: Weltzel, Hardt + Partner, Trier, DE
Brutto-Grundfläche: 4350 m²
Fertigstellung: 2023
Fotos: Laura Thiesbrummel, München, DE
Verarbeiter: Peters, Sohren, DE
Schörghuber Produkte: Schallschutztüren Rw = 32 dB mit Oberlicht und Seitenteil, Schallschutztüren Access Rw = 42 dB mit nur einer Dichtungsebene, Vollspantüren, T30 Brand-/Rauchschutztüren, Ausführung teilweise mit Oberlicht und Seitenteil, Massivholzstockzarge mit Leibungsbekleidung, Schattennutausführung, Faltstockzargen mit Leibungsbekleidung, Massivholzriegel für gleitenden Deckenanschluss
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